Schwäbische Orgeltage 2009

Und die Erde erbebete

Orgeltage - Jubiläumskonzert des Günzburger heilig geist ensembles mit Mendelssohns "Elias"

von Helmut Kircher

Günzburg
Sitzfestigkeit war gefragt bei dieser Jubiläumspotenz im Dreierpack: 250. Geburtstag Felix Mendelssohn-Bartholdys, 20. des Günzburger heilig geist ensembles und 15. der Schwäbischen Orgeltage. Mit Mendelssohns Oratorium "Elias" hatte Kirchenkusikus Thomas Bodenmüller der Heilig Geist-Kirche ein gewaltiges Werk zugemutet. Hatte die Zuhörer auf eine alttestamentarische Bibelreise von satten zweidreiviertel Stunden mitgenommen. Trotzdem - man wollte keine Minute davon missen.
Düsteres Moll verbreitet, noch vor der Ouvertüre, tiefes Blech. Dann schleudert, fortissimo, mit Stentorstimme und - "diabolus in musica" - vokal verfemten Teufelsquinten der leibhaftige Prophet Elisas seinen Fluch in der Dürre in diese israelitisch unchristliche Zeit, die den gütigen Gott nicht zu kennen scheint, sondern, aus dem Munde der heidnischen Baalpriester, nur den mordenden, Rache übenden, archaischen brutalen Feuer- und Sturmgott.
"Er wird uns verfolgen, bis er uns tötet", befürchtet, erneut mit Unglücksquinten, der Chor. Ein Glaubenswandel also muss her, eine Revolution. Götterstreit braut sich zusammen. Da hilft kein Klagen - da hilft nur noch eines: Wunder! Und Elias bringt sie. Lässt ein Kind, bei dem "kein Odem blieb", mit Hilfe von Fanfarenstößen der Bläser vom Tode auferstehen. Hält sich beim offenen Götterstreit Jahwe versus Baal - wer von ihnen bringt einen Holzstoß mittels Blitzstrahl zum Entflammen? - anfangs zurück. "Baal erhöre uns!" ertönt es achtstimmig, in klangprächtigen Tutti aus dem Volk. Doch nichts geschieht. Kein Taktstock rührt sich. Dann spielt Elias seinen Trumpf aus. Ein einfaches Arioso, ein herzerwärmendes choralartiges Soloquartett, und in schwirrenden Streicherfiguren fällt der Feuerzauber vom Himmel. Dass Elias anschließend zum Mörder an den Baalpriestern wird, bleibt Makulatur, da gottgewollt. Ein nächstes Wunder naht. Nun soll endlich Regen fallen. Nach drei Fehlmeldungen kann der übers Meer spähende Knabe - mit wunderbar klarer, höhenfester Stimme Hanna Walther - unter pulsierendem Orchestertremolo die erste Wolke ankündigen. Der ersehnte Regen rauscht, und der Chor stürzt sich in das, was Mendelssohn als Dirigent bei der Uraufführung seines Werkes 1846 in Birmingham viermal (!) wiederholen musste: exaltierte jubelnde Dankesstimmung mit Sechzehntelläufen und dissonaten kraftvollen Akkordschlichtungen. Pause.

Was kann im zweiten Teil, nach all den Wundern, noch kommen? Es sind dies einige der insgesamt 42 erzählend dramatischen Szenenfolgen voller halsbrecherischer Expressivität und schwebender Gefühligkeit. Thomas Bodenmüller war gleichermaßen um einen elastisch-kernigen Chorklang bemüht, wie auch um einen Orchesterpoeten Mendelssohn, der durch das jugendlich geprägte Bayerische Symphonieorchester München im Gleichgewicht von aufbegehrendem Pathos und romantischem Profil zu halten war.
Ihm zur Seite Gesangssolisten, die auf bewegende Weise Gefühlswelten zu transportieren vermochten. Susanne Maria Vogelmann (Sopran I) und Barbara Link (Sopran II) verliehen Engel und Königin vokale Spannungskraft und gestalteten, zusammen mit Susanne Steinle und Danuta Debski, das Engel-Terzett "Hebe deine Augen" mit zu den ergreifendsten Augenblicken dieser Aufführung. Christian Salvatore Malchow glänzte vor allem in der Arie "Dann werden Gerechten leuchten" als lyrisch leuchtender Tenor.. Vokal bestimmender Ausdrucksträger: Wieland Satter als Elias. Ein markant, mit expressiver Schärfe and sattem Timbre sich entfaltender Bass, Bravourös, wie er die stimmakrobatische Herausforderung über eineinhalb Oktaven im "Ist nicht des Herrn Wort wie ein Feuer" gestaltete. Vom begeisterten Günzburger Publikum gab es "standign ovations"

Thomas Bodenmüller leitete Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium "Elias" in der Heilig Geist-Kirche Günzburg. Mit beteiligt die Gesangssolistinnen (von links) Susanne Maria Vogelmann, Danuta Debski, Susanne Steinle und Barbara Link.

aus: Günzburger Zeitung vom 24.11.2009

 


Konzert zum Jubiläum

"heilig geist ensemble" führt Elias auf

Günzburg
Montag ist "heilig-geist-ensemble"-Tag, sagen 35 Sängerinnen und Sänger in der Günzburger Stadtpfarrei und im näheren schwäbischen Umkreis. Regelmäßig proben sie da im Heiliggeist-Pfarrzentrum. Und das seit 20 Jahren. Zum Jubiläum studierte Ensembleleiter Thomas Bodenmüller den "Elias" ein.

480 Besucher quittierten die exquisite Leistung des Chores und der Gesangssolisten, des Bayerischen Symphonieorchesters München und des Dirigenten mit stürmischem Beifall. Stadtpfarrer Ulrich Däubler dankte bei dieser Gelegenheit für das im Rahmen der "Schwäbischen Orgeltage 2009" eingebrachte Finale.
Die ungewöhnlich starke Resonanz kommt nicht von ungefähr. Es war im Jahr 1989, als Musikdirektor Bernhard Löffler den Anstoß gab, alljährlich zwei größere Werke der alten und der neueren Musica Sacra in der Heiliggeist-Kirche aufzuführen. Sein Nachfolger Thomas Bodenmüller führt dieses Kirchenmusikalische Angebot seit 2006 ebenso erfolgreich weiter.
Dem Erstling schlossen sich in 20 Jahren Oratorien wie Schöpfung und Messias oder Requiemgesänge von Mozart und Brahms an. Auch die lateinischen Festmessen Joseph Haydns, Wolfgang Amade Mozarts, Ludwig van Beethovens, Franz Schuberts sowie Karl Kempters Pastoralmesse brachte das "heilig geist ensemble", das anderswo Kirchenchor mit Instrumentalkreis heißt, schon in großer Qualität zu Gehör.

Unterstützerverein

Will man das Geheimnis des überproportionalen Erfolgs lüften, gilt es, auf die örtliche Stiftung "Musica Sacra" sowie den Förderverein und deren finanzielle Unterstützung zum Notenkauf und Künstlerhonoraren hinzuweisen. Auch bildet der Ensembleleiter Nachwuchs für den Chor heran, indem er frühmusikalische Erziehung und zwei Chöre für Kinder anbietet. Und da das Echo der Günzburger Konzerte über die Stadtgrenzen ausstrahlt, stoßen nach Aufführungen oft neue Sänger dazu.
Zum 20. Geburtstag des Chores und anlässlich des 200. von Felix Mendelssohn-Bartholdy nahmen das "heilig geist ensemble" seinen Elias nochmals auf. Und wieder faszinierte, wie der frühvollendete romantische Komponist den Propheten und sein Schicksal mit den Mitteln der Töne und des diffizilen Ausdrucks darstellte. Man sah förmlich den mutigen Kämpfer für Jahwe, den mächtigen Wundertäter, den bisweilen resignierenden Gottesmann aus dem neunten vorchristlichen Jahrhundert.

Packende Szenen

Der Chor und das mit vielen jungen Kräften besetzte Münchner Orchester wuchsen über sich hinaus. Sie boten packende Szenen beim Auftritt des Propheten vor den tobenden Baalpriestern, beim Erwecken des Witwensohnes und der dreimaligen Beschwörung um Fruchtbarkeit bringenden Regen.
Dazwischen schilderte der souveräne, meist mit Schwung zu Werke gehende Dirigent den tonmalerisch bestens herausgearbeiteten, besinnlich-innigen Auftritt der Engel. Bestimmt nahm der Konzertbesucher das "Denn Er hat seinen Engeln befohlen" nach Hause mit. Der sonore Bassist Wieland Satter als urgewaltiger Prophet, der Belcantotenor Christian Salvatore Malchow, die mühelos hochsteigende Sopranistin Susanne Maria Vogelmann und die präzise gestaltende Altistin Barbara Link ergänzten den Chor beim Geburtstagsfest in idealer Weise.
Von Franz-J. Paul

Ensembleleiter Thomas Bodenmüller und das Solistenquartett Susanne Maria Vogelmann, Barbara Link, Christian Salvatore Malchow, Wieland Satter während der Aufführung von Mendelssohn-Bartholdys Elias.

aus: Katholische SonntagsZeitung vom 21/22.11.2009

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