Schwäbische Orgeltage 2008

Mozarts vollendet Unvollendete

Orgeltage: Viel Applaus für das Heilig Geist Ensemble und die große Messe in c-Moll in der Ergänzung von Robert Levin

VON HELMUT KIRCHER

Günzburg
Verdient jubelnder Applaus beim Abschlusskonzert der Schwäbischen Orgeltage in der Günzburger Heilig Geist Kirche mit Wolfgang Amadè Mozarts Großer Messe in c-Moll (KV 427). Sie ist ein Torso, ein Fragment, eine Unvollendete. Warum? Man weiß es nicht. Es wird wohl für immer im Dunkel der Geschichte verborgen bleiben. Dennoch war sie, aufgeführt vom Heilig Geist Ensemble unter Thomas Bodenmüller, "vollendet" zu hören, nämlich in der Ergänzung des Pianisten und Harvard-Professors Robert D. Levin.

Um es vorwegzusagen: Von den vielen bisher gewagten Ergänzungsversuchen dürfte dies wahrscheinlich der stimmigste sein, einer der die mozartsche Musiksprache bruchlos und am überzeugendsten wiedergibt: Mit der Rekonstruktion des nie komponierten zweiten Credo- Teils, mit der Umstrukturierung von Sanctus und Benedictus und der Hinzufügung des fehlenden Agnus Dei.

Dennoch sei die Frage erlaubt, ob es im Falle einer nicht liturgischen Nutzung, also einer rein konzertanten Aufführung, nicht befriedigender wäre, auf die allein und ausschließlich von Mozart komponierte Vorlage zurückzugreifen.
Trotz ihres barockisierenden Charakters gilt die c-Moll Messe als "Mozarts bedeutendste Messevertonung. Ein Werk des "gereiften" Meisters. Nie zuvor hatte er ein Kyrie mit solch orchestral hochexpressiven Einleitungstakten komponiert, mit solch erregter Bekundung von Qual, Schmerz und Angst im Eröffnungschor.
Im Kyrie noch hielt Thomas Bodenmüller das wie immer technisch blitzsauber und mit bestechend natürlichem Mozartgestus musizierende Ensemble Musica Viva Stuttgart im temporeduzierten Moll-Duktus und seinen bestens präparierten Heilig Geist Chor im vokalen Geist des flehentlichen Bittens nach Erbarmen.
Doch das änderte sich, mit strahlendem C-Dur und vollem Chor und Bläserklang, im Eingangschor zum Gloria, dem ausgedehntesten Messeteil.

Fortan tendierte Bodenmüller eher zu lichteren Gefilden, hielt sich im Bereich von festlicher Fröhlichkeit bis hin zu theatraler Pracht und Ausdrucksfreude. So steht es ja auch in den Noten. In den prunkenden "Halleluja"-Anspielungen, im klanggewaltigen "Qui tollis" oder der groß angelegten "Cum Sancto Spiritu"-Fuge des Gloria. Von Levin mit zusätzlicher barock polyphoner Virtuosität angereichert. Im Sanctus gar zu achtstimmigem Doppelchor erweitert und vom Chor glänzend gestaltet und ausgeführt.

Dazu lyrische, in Herz und Gemüt einschleichende Momente, eingebracht vor allem von den beiden Solo-Sopranistinnen. Danuta Debski mit einem zutiefst innigen "Christe eleison", im "Et incarnatus" kristallklar mit beseeltem Glanz, zu pastoralem Parlando mit Flöte, Oboe und Fagott in himmlische Höhen entschwebend (Mozarts Ehefrau Constanze sang diesen Part bei der Uraufführung in Salzburg).

Wunderschön

Diana Schmid, eine Sängerin von bravouröser Mezzo-Qualität, jubelte ihr "Laudamus te" schwerelos zur elegant phrasierten Koloraturarie. Wunderschön.

Den beiden männlichen Sängerkollegen hat der Komponist mit wenigen Ensembleeinsätzen nur geringen stimmlichen Entfaltungsraum gegeben. In der Ergänzung von Robert Levin allerdings bekommt zumindest der Tenor im nachkomponierten Credoteil "Et in Spiritum Sanctum" eine eigene Arie, eine für Tenor umgeschriebene koloraturbestückte Sopranarie aus Mozarts Kantate "Davidde penitente".
Daniel Jenz gestaltete sie differenziert ausdrucksfarbig. Bass-Bariton Hans Voss blieb lediglich der Einsatz im melismenverzierten Quartett des Benedictus und des abschließenden "Dona nobis pacem".
Ob Mozart seine Messeschlussworte auch in solch heiteren, tänzerisch übermütigen Reigenrhythmus gesetzt hätte? Zuzutrauen wäre es ihm.

Jubel. Blumen. Lang anhaltender Applaus.

Mozarts Große Messe in c-Moll stand zum Abschluss auf dem Programm der diesjährigen Schwäbischen Orgeltage. Den Chor des Heilig Geist Ensembles und das Stuttgarter Orchester Ensemble Musica Viva leitete Thomas Bodenmüller, die Sopranpartien sangen Danuta Debski (links) und Diana Schmid.

Foto: Kircher

aus: Günzburger Zeitung

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