Schwäbische Orgeltage 2003

Impressionen

zu den Bildern

 


Triumph klanglicher Fantasien

Haydns "Schöpfung" eröffnet die neunten Schwäbischen Orgeltage

Von unserem Mitarbeiter
Helmut Kircher

Günzburg
Zwei Stunden kosmische Humanitas. Auf schwebender Instrumentation aufgebaute Welterschaffungseuphorie. Wogende Finsternis, hymnischer Chorfugenjubel. Und ein Paradies ohne Sündenfall. Joseph Haydns "Die Schöpfung" - er hat sie in der Mitte seines siebten Lebensjahrzehnts komponiert - wird allgemein als sein "Alterswerk" bezeichnet. Doch könnte man, angesichts solch musikalischer Einfallsfülle, solch ungestümer Schwungkraft und tobender Lebensfreude, nicht eher von einem vehementen Schaffensrausch kraftsprühender Jugendlichkeit sprechen? Wie dem auch sei, die "Schöpfung", die in der Günzburger Heilig-Geist-Kirche die Schwäbischen Orgeltage in ihre neunte Auflage leitete, war alles andere als angekränkelt von altersweisen Denkprozessen, vielmehr bettete sie die vorgegebenen, schöpferisch kontemplativen Ruhepunkte, in die musikalische Gebärde optimistischer Weltlichkeit, getragen vom mediterranen Charme Neapolitanischer Canzonetti.

Haydns "Schöpfung" ist ein musikalisches Bilderbuch, das von der Erschaffung der Welt, der Entstehung von Tieren und Pflanzen und einem "beglückten Paar" im Paradies erzählt.

Den Text begleiten Bilder, gemalt in den Farben emotional angereicherter Musik. Eigenartig, doch tief beeindruckend schon der Beginn. Ein Hauch von Mysterium, zart, dunstig, dissonant verwoben, liegt über der Darstellung des "Chaos", dem Beginn aller Zeiten, entwachsen der Urzelle aus einer einzigen Note, dem Unisono-C des ganzen Orchesters. Die Erzählungen der Erzengel Raphael, Gabriel und Uriel sind zumeist instrumental verwoben mit leisen, tonsprachlichen Verbindungslinien von Satz zu Satz. Ausbrüche von urknallhafter Kraft ("Es werde Licht") wechseln sich ab mit tonmalerisch verspieltem, seelenvoll innigen Dahinfließen
naturhaft idyllischer Schöpfungsakte ("Leise rauschend gleitet fort im stillen Tal der helle
Bach"). Wuchtige, vokale Klangfülle demonstrierende Chorausbrüche wie in der Doppelfuge "Vollendet ist das große Werk", bilden einen expressiven Kontrapunkt zu abgeklärten, elegant leichtfüßigen Triller-Arien, wie der des Gabriel, in der Ingrid Fraunholz Lerche und Nachtigall ihren glockenrein perlenden, figural verspielten Sopran in die "süße Kehle" legte.

Gerald Häußler, ein Bariton von attraktiv strahlender Stimmkraft, konnte vor allem im Rezitativ "Gleich öffnet sich der Erde Schoß" seine ausgeprägte Erzählkunst zur Geltung bringen und Andreas Hirtreiter verlieh "Mit Würd und Hoheit" der Menscherschaffungs-Arie des Uriel tenoralen Glanz und lyrische Intensität. Alle drei zusammen - durch das chorische Eigengewächs Carolin Ruf vom solistischen Terzett zum Quartett erweitert - machten den dritten, den Paradies-Teil der "Schöpfung", zu einem glanzvollen Höhepunkt des Konzerts. Wie "aus Rosenwolken" strömte "vom himmlischen Gewölbe reine Harmonie", auf Flügeln grenzenloser Innigkeit, auf Wolken pastoser Klangfülle.

Solisten von hoher stimmlicher Prägung, eingewohnt zuverlässiger, auf präzise Sangeskultur eingeschworener heilig-geist-ensemble-Chor, das souverän aufspielende, aus Marienbad angereiste Westböhmische Symphonieorchester und ein Bernhard Löffler am Pult (und Cembalo), der gleichermaßen darauf bedacht war, Sensibilität einzufordern wie gebündelten Gestaltungswillen zu entfachen, machten aus einem Zweistundenkonzert ein kurzweiliges Musikerlebnis. Joseph Haydn schuf durch den Triumph seiner klanglichen Fantasien eine musikalisch perfekte Schöpfung. Dem Weltenherrscher mit seiner irdischen scheint dies im Gegensatz dazu wohl nicht so ganz geglückt.

Mit Joseph Haydns "Die Schöpfung" startete in der Günzburger Heilig Geist Kirche die 9. Auflage der Schwäbischen Orgeltage. Mit Bernhard Löffler am Pult spielte das Westböhmische Symphonieorchester, es sang das heilig geist ensemble und die Solisten (von links): Ingrid Fraunholz, Carolin Ruf, Gerald Häußler und Andreas Hirtreiter.
Bild: Kircher

aus: Günzburger Zeitung vom 18. November 2003

 


 

Musik zu Bildern einer heilen Welt

Mit Cembalokonzert regt Bernhard Löffler zum Nachdenken über die Schöpfung an

Günzburg (kih)
Sein nächster Verwandter, die Orgel, spielt sich als "Königin der Instrumente" auf. Selbst war es einst bevorzugtes "Spielzeug" gepuderter und parfümierter Exzellenzen. Heute hat das Cembalo zumeist nur noch begleitenden Charakter, als Continuo in barocken Kammerkonzerten, oder zur Untermalung von Rezitativen in vokalen Handlungsszenen großer Opern oder Oratorien. Als Soloinstrument gehört der "Tastenzupfer" in der klavierbeherrschten Musikwelt eher zu den Ausnahmeerscheinungen. Die Heilig Geist Kirche Günzburg war- im Rahmen der Schwäbischen Orgeltage - Ort solch einer konzertanten Rarität.

Noch bevor es seinen ersten Ton von sich gab, machte das Instrument schon durch seine gediegene Erscheinungsform auf sich aufmerksam. Mehr noch am Schluss, als Bernhard Löffler, der Solist des Abends, einem interessierten Kreis aus dem Publikum die in seinem Privatbesitz befindliche Kostbarkeit vorstellte.

Um die Rekonstruktion eines Cembalos aus dem Jahr 1695 handele es sich bei dieser Ausführung, einem Instrument mit zwei Manualen und Schiebekoppeln als Register zur Klangfarbenkombination, erklärte der Organist, Chorleiter, Dirigent und Musikdirektor. Ein wertvolles Stück, betonte er nicht ohne Stolz, in dem der "Gegenwert einiger meiner Arbeitsjahre steckt".

Welch funkelnder Farbenreichtum, welch variantenreich lebendige Spannungsbögen und Phrasierungsfeinheiten dem Instrument zu entlocken sind - beim Cembalo allein durch Dehnungen und Pausen, als einer Art "musikalisches atmen" zu erzeugen - das de-
monstrierte Löffler im Laufe der vorangehenden eineinviertel Stunden mit Kompositionen italienischer und vor allem süddeutscher Meister.

Beamer und Leinwand lieferten dazu eine optische Verbindung zum Motto der Veranstaltungsreihe, dem Thema Schöpfung. Impressionen einer intakten Natur. Landschaftsträume aus Farbe und Licht. Sinnliche Faszinationen, Bilder die in die Seele Hineinleuchten. Aus dieser Symbiose von visueller Kraft mit verklärtem Klang ergab sich ein zutiefst emotionales Zwiegespräch.

Die Schöpfung, in der Form unverfälschter Naturbelassenheit, verknüpft mit einem akustischen Gemälde aus virtuos figurierten Toccaten, dem lyrischen Wohllaut von Canzoni und Präludien, von Laufpassagen und Arpeggien, sie schwamm auf einer Woge des Wohllautes für Auge und Ohr. Dem zu kontemplativer Betrachtungsweise Fähigen aber - ihm erschien hinter den Bildern einer heilen Welt zweifellos das bedrohlich warnende Symbol eines imaginären Feuerzeichens.

Die subtile, mit allen Prägungen vorbarocker Klangästhetik gesegnete Genialität süddeutscher und italienischer Meisterkomponisten für Cembalo in Ehren - die Herren Hassler, Froberger, Gabrieli, Rathgeber, Pachelbel, Speth und Nichtgenannte mögen verzeihen - aber mal ehrlich: die, von allem barocken Zierrat entstaubte, mit Polyrhythmen durchsetzte, synkopenbetonte, sparsam Dissonanzen und atonale Klanggebärden verwendende, mit einem Wort durch und durch ungewöhnliche Musik des Neuzeitlers Bernhard Löffler (Auszug aus seiner Kompositionsprüfung), war sie nicht interessanter, spannender, mitreißender als die strengen Zöpfe der Kleinodien aus dem 17./18. Jahrhundert?

Man hätte gerne noch mehr davon gehört. Genauso wie von den cembalistischen Mutproben eines Padre David, der mit Tschingdarassabum- und Hallodrioturbulenzen Schunkelstimmung auf die Tasten zauberte und augenzwinkernd ganz schön kräftig am
barockgeheiligten Lack des ehrwürdigen Cembalos kratzte. Sehr zur Freude eines begeisterten Publikums.

Bild: Kircher

aus: Günzburger Zeitung vom 24. November 2003

 


 

Neues Licht im Haus Gottes

Bigelmayr-Ausstellung in Heilig Geist zu Konzertreihe

Günzburg-Burgau (mde).
Mit teilweise 15 Quadratmeter großen Bildern und Skulpturen zum Thema "Schöpfung" begleitet eine Ausstellung des Burgauer Künstlers Konni Bigelmayr die "Schwäbischen Orgeltage 2003" in der Stadtpfarrkirche Heilig Geist. Nach den Orgeltagen kann man das Gotteshaus noch bis Mitte Dezemberals "Gesamtkunstwerk" erleben.

Einer großen künstlerischen Herausforderung stellte sich Konni Bigelmayr in der Günzburger Stadtpfarrkirche Heilig Geist. Auf Wunsch von Bernhard Löffler, dem Initiator der "Schwäbischen Orgeltage 2003", sollte er das Thema "Die Schöpfung", unter dem das musikalische Großereignis steht, künstlerisch unterstreichen (siehe eigener Bericht).

Diese Aufgabe war um so schwieriger, als Bigelmayrs' Arbeiten mit den berühmten Großbildern von Professor Nagel in Heilig Geist eine Symbiose bilden sollten. Konni Bigelmayr wurde der Herausforderung "mehr als gerecht", wie Löffler beim Eröffnungsgottesdienst begeistert äußerte. "Seine Bilder bringen ein neues Licht in das Haus Gottes, sie lassen uns unsere Kirche neu erleben", meinte auch Stadtpfarrer Ulrich Däubler.

Vor allem das lebendige Gelb von Bigelmayrs Bildern bringt Licht in die Kirche und unterstreicht die Arbeiten von Professor Nagels blauen Schöpfungswelten. "Es werde Licht", sagt der Schöpfer im oberen Bereich der fünf Meter hohen Arbeiten. Dieses Licht setzt sich nach unten fort ins irdische Grün und lässt auf der Erde aus einer Holzskulptur eine große rote Blüte hervorbrechen, den Beginn allen Lebens. "Diese Ausstellung ermöglicht uns allen eine ganz neue Art der Auseinandersetzung mit dem Thema Schöpfung, sie bringt auch dort neue Eindrücke, wo manches Mal die Gewohnheit den Blick für das Vorhandene trübt", sagte Däubler.

Für Bigelmayr selbst hat sich mit dieser Ausstellung "der Traum erfüllt, einmal eine ganze
Kirche zum Gesamtkunstwerk umgestalten zu dürfen". Initiator Bernhard Löffler dankte dem Burgauer Maler und Bildhauer für dieses "wundervolle, künstlerische Ausrufungszeichen der Schwäbischen Orgeltage".

aus: Günzburger Zeitung vom 18. November 2003

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