Musikalischer Frühling im schwäbischen Barockwinkel 2010
Durch Moll zum Dur
Musikalischer Frühling - Bravos und Standing Ovations für ein begeisterndes Beethoven-Konzert des Heilig Geist Ensembles
von Helmut Kircher
Günzburg
Per aspera ad astra, durch Nacht zum Licht, ergo von Moll zu Dur, und wohl auch vom Winter zum Frühling. Musikalisch gesehen ward damit dem schwäbischen Barockwinkel und seinem ihm zustehenden Frühling Genüge getan, die Günzburger Heilig Geist Kirche zum Konzertsaal gewandelt, und eine musikalische Großtat schlussendlich mit dem ihr nicht weniger zustehenden Begeisterungsjubel und stehendem Applaus bedacht.
Denn auf dem Programm stand Beethoven pur: seine einstmals mit Schimpf und Schande bedachte Messe in C-Dur und, als konzertanter Aufmacher, seine "schicksalspochende" 5. Sinfonie in c-Moll. Diese, natürlich, eine Nagelprobe für jeden Dirigenten, muss er sich doch an einer geradezu massenhaften Einspielung berühmtester Maestros mit hochklassigsten Orchestern messen lassen. Allein schon der Beginn. Keiner wurde je so berühmt wie dieser. Vier Noten. Sonst nichts. Dreimal kurz, einmal lang. Ein scheinbar einfaches, simples Thema. Und doch entwickelte Beethoven aus dieser Keimzelle des Minimalen ein gewaltiges sinfonisches Gebäude von impulsiver Kraft und eruptiver Sinnlichkeit.
Im Gefühlssturm
Nur die ersten Takte verhielt Thomas Bodenmüller am Pult in etwas zögerlichem Tempo, dann ließ er dem Gefühlssturm Beethovenscher Entfaltungskraft ziemlich freien Lauf. Auf die exzellente Orchesterkultur des jugendfrisch aufspielenden Bayerischen Symphonieorchesters München konnte er bauen, auf seine Präzision, die auch die zügigsten Tempi mitging, und vor allem bei den Bläsern Fulminantes zu bieten hatte.
Großartig gelungen der dritte, der Scherzosatz. Mit diesen hinreißenden Crescendi, aus dem Nichts kommend, um dann, atemlos keuchend, am Utopischen kratzen. Diesen düsteren, geheimnisvollen Impulsen des fugierten Trios, mit den brillant aufgeregt dreingrummelnden Kontrabässen.
Und eine Wucht der nahtlose Übergang zum vierten Satz, ins Posaunen und Kontrafagott unterstütze C-Dur Fortissimo, in eine finale Stretta mit triumphmarschartig furiosem Helligkeitsjubel. Tolle Leistung.
Thomas Bodenmüller gelang ein expressiv geladenes Musizieren, mit einem Orchester, das in zurückhaltender Manier die musikspirituelle Architektur schuf, einem fabelhaften Heilig Geist Ensemble, das mit chorisch elementarer Kraft und vokalem Feinschliff als emphatischer Seelenmotor agierte, selbstsicher kontrapunktische Raffinesse ausleuchtete ("Cum sancto spiritu"), eine geradzu makellose Melodielinie bei der Ton-in-Ton-Verschmelzung mit dem Solistenquartett durchhielt.
Dieses, fundiert auf vokal herber Männlichkeit mit Bass (Frank Wörner) und Tenor (Enrique Adrados), beleuchtet aus samtweich anschmiegsamer Mezzohöhe (Anna Lapkovskaja), aus betörend leuchtendem Sopranhimmel (Susanne Steinle), lief zu wahrer Hochform auf, im berührenden "Qui tollis", im Hoffnung getränkten und auf dem Herzen zergehender "Benedictus qui venit", oder, im übereinstimmenden Pulsschlag von Chor und Orchester, beim finalen "Dona nobis pacem", das - vielleicht ein Hinweis auf den ewigen Kreislauf von Hell und Dunkel? - zurückführt in den innigen Terzenwohlklang des anfänglichen Kyrie.
Zu einem bejubelten Ereignis wurde das Beethoven-Konzert zum "Musikalischen Frühling" in der Heilig Geist Kirche Günzburg. Mitwirkende waren das Bayerische Sinfonieorchester München, das Heilig Geist Ensemble und die Gesangssolisten, v. links: Frank Wörner, Enrique Adrados, Anna Lapkovskaja und Susanne Steinle. Leitung: Thomas Bodenmüller
aus: Günzburger Zeitung vom 20.04.2010
"Vom Dunkel zum Licht"
Heilig-Geist-Ensemble gefällt in Beethovens C-Dur-Messe
Günzburg (fjp)
Eine stattliche Hörergemeinde aus Nord- und Mittelschwaben erlebte am dritten Sonntag nach Ostern das Schaffen des Komponisten Ludwig van Beethoven in zweifacher Weise. Einmal rein instrumental mit dem Bayerischen Symphonieorchester und der berühmten Schicksalssymphonie in c-moll, hernach mit dem Chor (Heilig Geist Ensemble), Orchester und Gesangsquartett in der C-Dur Messe.
Hätte Dirigent Thomas Bodenmüller den Beitrag des Heilig-Geist-Ensembles voranstellen und lieber das Konzert mit der wuchtigen fünften Symphonie ausklingeln lassen sollen? Mitnichten, sagte Stadtpfarrer Ulrich Däubler in der Einführung: "Unser Konzertthema ´Vom Dunkel zum Licht´ bezieht sich nicht nur auf die im Jubel schließende Schicksalssymphonie. Die lateinische Messe steigert sich zu österlicher Helle, singen wir am Ende doch Dona nobis pacem (Gib uns Deinen Frieden)".
Musikhistoriker wissen: Zwischen beiden Welt-Uraufführungen verstrichen 15 Monate. Die C-Dur-Messe war eine Auftragsabreit zum Namenstag der Fürstin Esterhazy. Während das Werk seinerzeit nicht den verdienten Beifall gefunden hatte, weil lange Arien und üblicher Koloraturenglanz in Beethovens Messe fehlen, ließen sich die 310 Günzburger Hörer beim Schlussbeifall von ihrer Freude überwältigen.
Das Heilig-Geist-Ensemble erfreute auch in höchsten Lagen mit einer sicheren wie ausgeglichenen Tongebung. Präzise Wechsel zwischen den Solistenparts und dem Gesamtchor ergaben eine Darbietung aus einem Guss. Besonders gefiel, wie die Altistin Anna Lakovskaja und die bekannte Burgauer Sopranistin Susanne Steinle in die hochlyrischen Wechselpassagen des Benedictus einstiegen. Enrique Adrados, Tenor, und Frank Wörner, Bass, brachten gleichfalls überdurchschnittliche Beiträge.
Da der Günzburger Kirchenmusiker Bodenmüller das Werk präzise einstudierte, das Orchester gegenüber der Symphonie etwas verkleinerte und souverän den Taktstock schwang, bleibt diese C-Dur-Messe als textlich und instrumental glänzend ausgewogene Aufführung in guter Erinnerung. Sie braucht sich hinter der Schwester in D-Dur, der Missa Solemnis, nicht zu verstecken.
"So pocht das Schicksal an die Pforte", soll Ludwig van Beethovensein Engangsmotiv zu seiner fünften Symphonie, bestehend auf nur vier Tönen, erläutert haben. Drei kurze, wuchtige, auf gleicher Höhe, dann ein langer Ton als Terz abwärts. Schlichter geformt konnte der musikalische Baustein nicht sein. Doch klingt er schaurig, geht durch Mark und Bein, wird er deutlich eingeschlagen und ein dutzendmal wiederholt.
Die Münchner brachten ihren vorzüglichen Orchester-Apparat in die Deutung des klassisch-romantischen Werks voll ein. Tiefe Streicher, Posaunen und Hörner hämmernten das pochende Motiv des Eingangssatzes ein, Oboen erhoben ihre klagende Stimme. Doch dämpften die geschmeidigen Geigen frühzeitig aufkeimende Freude. Erst mit dem nahtlosen Übergang vom dritten Satz ins furiose Finale ließ Dirigent Bodenmüller strahlendes Licht in die Symphonie hinein. Da machten Enttäuschung und Wut, Ohnmacht und Verzweiflung Platz für den triumphalen Siegesmarsch.
aus: Katholische SonntagsZeitung Augsburg vom 24./25.04.2010