Konzert im Rahmen des Musikalischen Frühlings 2003

Von der Finsternis ins Licht des Christentums

heilig geist ensemble Günzburg wagt mit Mendelssohn-Oratorium einen musikalischen Kraftakt - 400 Zuhörer sind von der Aufführung begeistert

Günzburg (kih).
Stehenden Applaus gab es zum Schluss von den gut 400 Zuhörern. Und der war redlich verdient, denn was das heilig geist ensemble mit Felix Mendelssohn Bartholdys gewaltigem Oratorium "Paulus" in der Günzburger Heilig Geist Kirche auf den Schwingen des "Musikalischen Frühlings" zur Aufführung brachte, war nichts weniger als ein wuchtvoll auftrumpfender vokaler Kraftakt.

Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), vom Judentum zum Christentum konvertiert, war 27 Jahre alt, als sein Oratorium in Düsseldorf uraufgeführt wurde. Es erzählt, nach Worten der Heiligen Schrift, die Wandlung des Juden Saulus zum Apostel Paulus, also den Weg von der Finsternis ins Licht des Christentums. "Ein Juwel der Gegenwart" nannte es der Freund und Komponistenkollege Robert Schumann. Mendelssohn selbst war von seinem Werk weniger angetan. Wie auch immer, der nachhaltigen Erfolg seines Opus 36 bis zum heutigen Tag beruht wohl zu einem großen Teil auf der Tatsache, dass es dem großen Romantiker gelang, melodische Größe und Würde mit den archaischen Elementen des Barock zu verbinden, also Haydn, Händel und Bach auf einen Nenner zu bringen. Alle drei haben ihn zweifellos beeinflusst -Bachs Matthäus Passion hat ihm ihre Wiederentdeckung zu verdanken - und zu einem musikalischen Bekenntnis inspiriert, das die klangelegante Schreibweise des Melodikers genauso zum Ausdruck bringt wie die großräumige Klangfülle des Symphonikers oder die dynamische Artikulation des Dramatikers. Die Stimmen, denen Bernhard Löffler am Pult die führende Funktion zuwies und zur tragenden Säule des Gesamtklangkörpers machte, waren Trumpf bei der Günzburger Aufführung. Der gemischte Chor, trotzdem er bei dieser weit über zweistündigen vokalen Schwerarbeit die letzten Kraftreserven mobiisieren musste, hielt seinen Enthusiasmus bis zum finalen "Lobet den Herrn" durch, zeigte schon bei seinem Einstand; dem dreifachen "Herr! Herr! Herr!", expressives Stimmvolumen und artikulierte emotionalen Volkszorn genauso effektvoll, wie die göttliche Himmelsstimme lichtdurchflutet. Den Chorälen wurde der ihnen zustehende Glanz verliehen und über polyphone Abgründe von Fugen und Mehrstimmigkeit mit klangeleganten Höhenflügen hinweg gesetzt. Einer der vielen chorischen Höhepunkte: der mit aufbrausender Vehemenz gestaltete Schlusssatz des ersten Teiles "Oh welch eine Tiefe", dessen akustische Schaumkronen sich erst im abschließenden "Amen! Amen! Amen!" glätteten.

Stimmlich exzellent

Ein stimmlich exzellent auf Hochstimmung eingestelltes Solistenensemble - dem Heilig-Geist-Publikum größtenteils seit langem bekannt und immer wieder hoch gelobt und viel gepriesen - animierte sich gegenseitig zu einer bestechend homogenen Gemeinschaftsleistung. Viel beschäftigt Sönke Morbach (Bass) als Paulus und Udo Scheuerpflug (Tenor) als Stephanus und Barnabas. Sich abwechselnd im fast ständigen handlungstragenden Dauereinsatz fanden sie im einzigen Tenor/Bass- Duett mit sonorer Pracht zu einem packenden innersten Fühlen des Pulsschlags Mendelssohnscher Beseeltheit zusammen. Hinreißend schön. Die vokalen Filetstücke des Oratoriums gehören der hohen Frauenstimme und damit Ingrid Fraunholz. Wenn sich ihr metallener Sopran-Glanz in das Geschehen mischte, war dies mit tonaler Seligmachung verbunden. Erhebend, anrührend und von versteckt lächelnder Halleluja-Atmosphäre durchdrungen. Warum nur hat Mendelssohn der Altstimme lediglich einen einzigen Soloeinsatz zugedacht!? Barbara Bittner weckte mit ihrem Arioso "Doch der Herr vergisst die Seinen nicht" ausdrucksstark, getragen von einschmeichelnd weich timbriertem, vokalen Esprit, ein Gefühl von: Schade, man hätte sie gerne noch öfter gehört.

Bernhard Löffler - er hatte den zweiten Teil des Oratoriums um einige unwesentliche Choreinsätze gekürzt - war bedacht, den Kraft- und stimmlichen Haushalt seines Ensembles richtig einzuteilen und musste demzufolge Zugeständnisse an das Tempo machen und auch das Austoben des Chores im Volkeszorn auf das durchhaltefähige Maß reduzieren. Beides gelang ihm, ohne, dass die Dynamik wesentlich darunter gelitten hätte. Sowohl die lyrische Gebärde als auch die Kraftsprache blieb in einem kontrollierten Klanggefüge bewahrt. Dazu trug auch das Philharmonische Orchester Sathmaar, ebenfalls schon mehrfach Gast in Günzburg, seinen Anteil bei, obwohl es, wie sich schon bei der Ouvertüre zeigte, mit stark bläserlastigem Duktus doch manchmal an ungeeigneter Stelle einen etwas zu dicken Ton auftrug.

aus: Günzburger Zeitung vom 01. April 2003

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