Kirchenkonzert im Rahmen des musikalischen Frühlings 23. 04. 2005
Aus den Quellen der Jugend geschöpft
Gelungener Einstand von Martin Schwingshandl
Günzburg (kih).
Der "Musikalische Frühling", auf den Schwingen von Wolfgang Amadeus Mozart, vorwiegend mit jungen Künstlern besetzt, am Vorabend der Papst-Inthronisation, da muss wohl der Heilige Geist seine segnende Hand im Spiel gehabt haben. So zumindest meinte Stadtpfarrer Ulrich Däubler, Hausherr von Kirche und Gemeinde die des Segensspenders' Namen trägt. Ein "junges" Konzert des heilig geist ensembles war es in der Tat.
Die Solisten, das Orchester, überwiegend in jenem Alter, das man als jugendlich bezeichnen kann. Die Reihen der Sängerschar des heilig geist ensembles - obwohl "schon" 16 Jahre alt - ebenfalls mit erstaunlich viel Jugend besetzt. Und der neue Dirigent Martin Schwingshandl zieht, auch erst 29 Jahre alt, altersmäßig in etwa mit dem Komponisten gleich.
Bei seinem konzertanten Einstand als Leiter der Kirchenmusik bei Heilig Geist konnte er also voll aus den Quellen der Jugend schöpfen. Durfte man also ein der Jugend vorbehaltenes Vorwärtsstürmen und Drängen, ein frisch-froh-freies Hineinstürzen in rasante Unbekümmertheit erwarten? Die berühmten drei Anfangsakkorde in Mozarts meistgespielter Oper "Die Zauberflöte" und ihrer noch mehr gespielten Ouvertüre, sie führten noch etwas zögerlich, von Nervosität belastet in die kontrastierende Welt dieses Singspiels ein. Im Laufe der Durchführung erst fanden die Instrumentalisten des aus unterschiedlichem Spielerreservoir zusammengesetzten Orchesters Dieter Sauer (München) zu jenem geformten Charakter zusammen, der im Wiederholungsteil dann den spielerischen Feinschliff und die nötige Farbe in die Klangwirkung einbrachte. Die in Unterbesetzung agierenden Streicher allerdings hatten es schwer, sich gegen die dominierenden Bläser zu behaupten. Im anschließenden A-Dur Klavierkonzert Nr.23 (KV 488) stand die kammermusikalische Besetzung des Orchesters in jener klanglichen Ausgewogenheit, die der schwerelosen Virtuosität der japanischen Pianistin Hisae Nagakura genauso Raum gab wie der aus dem Herzen fließenden orchestralen Begleitung. Vor allem aber kam die kommunikative Kraft des Dirigenten zum Ausdruck, die Fähigkeit, seine gestalterische Intelligenz auf die Musiker zu übertragen und sie in suggestivem, fein abgestuftem Ausdruck zu steigern. Vollkommen schlicht, süß doch ohne Drücker, gelang es Nagakura, jenen sechsten Sinn für das Sinnliche in Mozart zu entwickeln, das leuchtend warme Kolorit ebenso wie die schmerzlich bestrickende Wehmut, die in diesem viel gespielten Konzert die ganz Palette Mozartscher Gefühlswelt zum Leuchten bringt.
Eigentlich unverständlich, dass im Programmheft die einzelnen Satzbezeichnungen in den herzerweichend schönen Beginn des zweiten Satzes wäre dadurch wahrscheinlich unterblieben.
Ein großer Wurf: die selten zu hörende Kantate "Davide penitente", zu der Mozart Kyrie und Gloria aus seiner unvollendet gebliebenen c-Moll Messe nahm, sie mit zwei konzertanten Arien, einem Soloterzett und einer Schlussfuge ergänzte, und die mit einem Text unterlegte, dessen Autor nicht überliefert ist. Spät, so lässt uns das Oratorium wissen, bereut König David seine hemmungslose Hingabe an die Verführungskünste der Bethsebae. Doch durch seine tiefe Reue und Buße wird er zum Urbild aller reuigen Sünder. Eine poesievolle Peredigt mit kunstvoll musikalischen Mitteln, mit vokalem und instrumentalern Glanz, mit lebendig farbenfroher, klang üppiger Diesseitigkeit. Beachtlich vokales Potenzial, kultiviert und mitunter von beeindruckendem Stimmmfang, konnten Sophia Brommer (Sopran I), Brigitte Bayer (Sopran II) und Thomas Helm (Tenor) einsetzen. Sie jubilierten sich durch halsbrecherische Koloraturarien, entfalteten belcantischen Strahleglanz und entflammten ein kunstvoll fugiert polyphones Stimmengeflecht. Mit Hang zum Detail und ausformulierter Dynamik versetzte Schwingshandl sein Ensemble in chorische Hallelujahstimmung, führte es mit klug dosierter Risikofreude über dramatische Hürden hinweg und ließ es, quer durch exakt formulierte harmonische Umbrüche, in der sanglich nicht unheiklen Schlussfuge einen Glanzpunkt setzen. Glückwünsche und stehender Applaus für einen Einstand, der sich hören lassen konnte.
Wolfgang Amadeus Mozart war zu Gast beim Einstandskonzert von Dirigent Martin Schwingshandl (zweiter von links) in der heilig Geist Kirche Günzburg. Mit von der Partie: der Chor des heilig geist ensemble, das Orchester Dieter Sauer (München) sowie die Solisten Hisae Nagakura, Brigitte Bayer, Sophia Brommer und Thomas Helm.
Bild: Kircher
aus: Günzburger Zeitung vom 26.04.2005